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Naturschutz in Sachsen – Anspruch und Wirklichkeit.

Wolfgang Riether

Pro Naturschutz Sachsen e.V.

Nach Dr. Pohls historisch – philosophisch ausgerichtetem Vortrag führte Wolfgang Riether von Pro Naturschutz Sachsen e.V. die Zuhörer zurück in die Realität der Naturschutzarbeit mit der Frage „Schützen die sächsischen Naturschutzgebiete die sächsische Natur?“. Eine berechtigte Frage möchte man meinen, umfasst die Summe aller Schutzgebietsflächen doch fast 70 % der Landesfläche des Freistaates Sachsen (wobei zu beachten ist, dass sich in einer Vielzahl von Fällen die Schutzgebiete überlagern) und doch hat das Artensterben auch Sachsen nicht verschont. Wolfgang Riether führt die offenkundlichen Defizite insbesondere bei den Naturschutzgebieten (NSG) auf drei Aspekte zurück: rechtlich, fachlich und umsetzungsmäßig. Bis heute, 28 Jahre nach der politischen Wende, sind erst ca. 58 % der Rechtsverordnungen der NSG auf dem aktuellen Stand des Rechts (rechtsangepasste alte Verordnungen und neue), 42 % widerspiegeln noch das alte DDR-Recht mit allen seinen Rechtsunsicherheiten. Auch wurden nur noch wenige NSG neu ausgewiesen, 142 der insgesamt 217 NSG gehen auf den Zeitraum von 1945 bis 1990 zurück, danach lediglich 75. Zudem wurden in den Jahren 2001 und 2007 durch die Regierungspräsidien allgemeine Verordnungen für NSG erlassen, welche die Schutzgebietsverbote aufweichten zugunsten der Interessen der Landnutzer, hier vor allem der Land- und Forstwirtschaft. Als fachliche Aspekte bemängelt Wolfgang Riether die seit 1999 fehlende konzeptionelle Strategie für die NSG im Landesmaßstab. Noch in den Jahren 1992 und 1995 erarbeitete das Sächsische Staatsministerium für Umwelt ein Schutzgebiets- und Biotopschutzprogramm für den Freistaat Sachsen, welches als verbindliche Arbeitsgrundlage den Naturschutzbehörden übergeben wurde. Diese fachlich fundierte Schutzgebietsarbeit endete im Jahr 1999, in dem per Erlass des neu geschaffene Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) weitere Unterschutzstellung von NSG aussetzte (im entsprechenden Erlass dazu  wurde von personellen und finanziellen Gründen gesprochen). Dies führte dazu, dass seitdem jegliche konzeptionelle Stragie für die Schutzgebiete „eingefroren“ wurde und lediglich ein fachlicher „Minimalaufwand“ für einzelne NSG (Schutzwürdigkeitsgutachten) betrieben wurde. Auch erfolgt die Betreuung der NSG seit Jahren unzureichend. Hinsichtlich der Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen in den NSG führte Wolfgang Riether zahlreiche Beispiele auf, wo innerhalb der NSG fachlich fragwürdige Arbeiten behördlich angeordnet bzw. Pflegemaßnahmen falsch umgesetzt wurden. Seine Fotos zeigen, dass insbesondere großflächige Fäll- und Schnittmaßnahmen an Hecken nicht der Erhaltung dieser Biotope dienen und nicht notwendig sind. Auch Wiesen“pflege“ unter Einsatz schwerer Technik, Mähtraktor und Ladewagen führt zur Zerstörung der unter anderen Bedingungen entstandenen Lebensräumen und damit der Vernichtung von bodendruckempfindlichen Pflanzen. Ein weiteres Thema seines Vortrages war der unzureichende Schutz der NSG vor Eingriffen und die mangelnde Ahndung derselben. Vor allem in den waldbestockten NSG sieht Wolfgang Riether erhebliche Probleme, da diese oftmals durch den Staatsbetrieb Sachsenforst entgegen den Schutzgebietsregelungen intensiv und mit teilweise zerstörerischen Eingriffen bewirtschaftet werden. Er belegte dies mit vielen eindrucksvollen Fotos.

Als Resumee seines Vortrags formuliert er folgende Forderungen:

  • Erarbeitung eines landesweiten Schutzgebietsprogrammes aus rein naturschutzfachlicher Sicht.
  • Auf Grund der Schutzbedürftigkeit der betroffenen Schutzgüter sind entsprechende Schutzgebiete einzurichten und deren Pflege und Entwicklung zu gewährleisten.
  • Auf der Grundlage eines für jedes Schutzgebiet auszuarbeitenden und auch mit den anerkannten Naturschutzvereinigungen abzustimmenden Pflege- und Entwicklungsplan sind Pflege-und Entwicklungsmaßnahmen festzulegen, die auch finanziell zu kalkulieren sind. Diese notwendigen finanziellen Mittel sind als Budget für jedes Schutzgebiet in dem Haushalt der zuständigen Behörde einzustellen und die damit verbundenen Leistungen auszuschreiben und an geeignete Firmen zu vergeben.
  • Die Betreuung der Schutzgebiete ist ehrenamtlichen Mitarbeitern treuhänderisch zu übertragen, dazu sind diese mit den entsprechenden Vollmachten auszustatten und können eigenverantwortlich agieren.
  • Die Biotoppflege ist inhaltlich und im Umfang auf das notwendige Mindestmaß entsprechend den Vorgaben des Pflege- und Entwicklungsplanes zu beschränken.
  • Mit der Umsetzung sind nur fachkompetente Personen zu betrauen.
  • Durch eine umfängliche Kontrolle durch die Mitarbeiter der zuständige Behörde mit Unterstützung ehrenamtlicher Betreuer sind die Eingriffe in Schutzgebiete drastisch zu senken.
  • Verstöße gegen die Schutzgebietsverordnung sind konsequent zu ahnden.
  • Mögliche Verquickungen zwischen staatlicher Behörde und Naturschutzeinrichtungen sind zu lösen, Verwaltungsverfahren sind in der nächst höheren staatlichen Behörde zu bearbeiten.
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